Tom, wann hast Du bemerkt, dass es so nicht weitergehen kann?
Das war eigentlich ein schleichender Prozess, der sich anfangs gut verdrängen ließ. Ich wollte es mir, wie viele andere auch, zudem sehr lange gar nicht eingestehen. Doch dann kam die Phase, in der selbst das Aufstehen und die Erledigung einfachster Aufgaben nicht mehr gingen. Ich schaute die Wand an –und plötzlich waren Stunden vergangen, ohne dass es mir bewusst war! Außerdem gerieten meine Schlafstörungen völlig außer Kontrolle, ich schlief tagelang so gut wie gar nicht mehr. Ich habe auch einen Tinnitus entwickelt, der immer schlimmer wurde. Alles schien so aussichtslos, ich dachte immer öfter an den Weg durch die Hintertüre. Mein Lebenswille schwand einfach immer weiter. Den Besuch bei einem Arzt habe ich sehr lange herausgezögert. Gemeinsam mit meiner Hauärztin habe ich schließlich versucht, die Symptome mit Medikamenten und starken Schlafmitteln in den Griff zu bekommen.
Hast Du gleich einen Burnout als Verursacher Deiner verschiedenen Symptome vermutet?
Das ist schwer zu sagen… Mir war schon bewusst, dass etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist, aber ich tue mir bis heute, vor allem aber auch nach meinen Erfahrungen, schwer mit dem Begriff Burnout. Ich würde es ein Problem der Lebensbewältigung und damit einhergehende gesundheitliche Probleme nennen. Der Begriff Burnout wird aus meiner Sicht heraus einfach zu leicht in den Mund genommen, die gesundheitlichen Details werden dabei nicht weiter betrachtet. Burnout ist zu einer Art Standardbegriff avanciert und wird immer öfter als eine Art „Modebefund“ verwendet. Auf dieses Wort wird dann vieles einfach abgewälzt, für die Prävention, die Ursachenbekämpfung und eine echte Aufklärung wird dagegen viel zu wenig getan.
An wen hast Du Dich schließlich gewendet, wer konnte Dir erklären, was wirklich mit Dir los war?
Meine erste Ansprechpartnerin war meine Hausärztin. Diese und anschließend weitere medizinische Sachverständige haben meinen diversen körperlichen und geistigen Symptomen einen Namen gegeben. Die Auswahl der Ärzte, die man konsultieren sollte spielt meiner Meinung nach eine sehr große Rolle. Es ist wichtig, den oder die Richtige zu finden, da ich glaube, dass viele Ärzte und medizinische Berater gerne Dienstleistungen anbieten, die das Problem am Ende größer machen als es eigentlich ist oder war.
Was denkst Du, waren die Ursachen für Deinen Ausfall?
Nun da kam wirklich vieles zusammen: Eine schlechte Work Life Balance, eine ungesunde Ernährung, private wie gesundheitliche Probleme und diverse Altlasten. Außerdem wird auch in meinem Unternehmen, wie in den meisten anderen auch, immer mehr auf die Leistungsträger abgewälzt, die Ausbeute wächst stetig, genauso wie der damit verbundene Leistungsdruck. Die Warnsignale, die dann beim Arbeitnehmer zu beobachten sind, wollen die Arbeitgeber und Manager leider nicht an- bzw. aufnehmen. So gerät man dann immer tiefer in den Strudel…
Bist du mit dem Deinem Problem gleich offen umgegangen oder hast Du es erst einmal für Dich behalten?
Ich persönlich würde jedem davon abraten, gleich in die Kommunikationsoffensive zu gehen. Denn Du wirst als Führungskraft aber auch als Person schnell abgeschrieben und bekommst einen Stempel aufgedrückt. Es interessiert einfach niemanden, was Du geleistet hast, die meisten denken eher, dass Du durch bist mit Deinem Leben. Erst einmal nichts sagen und sich seinen Problemen selbst stellen, das ist meiner Meinung nach der richtige Weg. Auch das Thema wie man das kommuniziert braucht Zeit. Ich habe erst einmal alle abgeblockt, die mir Nahe standen, weil ich schnell gemerkt habe, dass sich plötzlich jeder für einen besonders guten Ratgeber oder gar einen Arzt hielt.
Von meinen Freunden hat mich auch nur ein einziger in drei Monaten Krankenhausaufenthalt besucht. Ich glaube, das zeigt ganz gut, dass nur sehr wenige meiner Mitmenschen wirklich mit meinem Problem umgehen konnten. Unabhängig davon war ich aber eigentlich auch ganz froh, dass ich Zeit für mich hatte, um wieder auf 100% Einsatzfähigkeit im Leben zu kommen.
Was genau hast Du getan, um aus der Negativschleife herauszufinden?
Zuerst habe ich es, wie gesagt mit Tabletten versucht. Als nichts half, habe ich mich arbeitsunfähig schreiben lassen. Darauf folgte eine erste Therapie und schließlich ein Aufenthalt im Krankenhaus. Dabei ist es wichtig, dass es einen geordneten Tagesablauf gibt, der Dich nicht aus dem weiteren Alltag reißt und mit leichten Aufgaben gefüllt ist. Der Ablauf kann dann, Stück für Stück, erweitert werden. Ich kenne einige Leute, die nur über Sport und Ausruhen versucht haben, zurückzukommen, das ist aber aus meiner Sicht keine Ursachenbekämpfung oder Problemlösung. Später erfolgte bei mir eine Wiedereingliederung mit begleitender Therapie. Das alles braucht viel Zeit und Geduld. Dabei habe ich festgestellt, dass es genau das Gegenteil bewirkt, wenn man sich mit dem „gesund werden“ unter Druck setzt. Sonst landet man ziemlich schnell im gleichen Sumpf, aus dem man eigentlich heraus wollte.
Was machst Du heute im Job, mit der Familie und in der Freizeit anders als vor Deinem Ausfall?
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Das ist eine schwere Frage- im Grunde habe ich vieles geändert und zugleich doch wenig. Die Zeit ist immer noch das größte Problem, wenn ich versuche, den Beruf, die Familie und meine Freizeitgestaltung unter einen Hut zu bringen. Denn jeder will etwas von mir und am besten ganz viel. Das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert.
Ich versuche im Job nicht mehr alles als mein Problem anzunehmen, setzte klarere Grenzen indem ich öfter „nein“ sage und sitze vieles einfach aus. Innerhalb der Familie kommunizieren wir mehr miteinander, was aber auch eine ordentliche Portion Diplomatie voraussetzt. Gerade dem Partner und den Kindern sollte man sicherlich vermehrt erklären, warum manches gerade wieder etwas weniger geht als sonst.
Aber obwohl die Gesellschaft heute viel mehr kommuniziert, ist es dennoch oft viel oberflächlicher geworden. Das liegt viel am digitalen Zeitalter, dank Facebook und Whatsapp wissen wir vieles und gleichzeitig doch nichts! Es bleibt wenig Raum für Spontanität, ständig werden Stundenslots ausgemacht, um möglichst viel in den Wochenablauf zu integrieren. Dieses Konstrukt lasse ich mir aber nicht mehr so stark aufdrängen. Sport und Zeit für mich ist mir heute wichtiger, aber auch das ist nicht immer einfach zu lösen und durchzusetzen, da unser Leben auch aus vielen Variablen besteht. Ich bin eben so erreichbar, wie es mein eigener Zeitplan vorsieht – und nicht wie es erwartet wird. 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche muss man wirklich nicht per Email oder Telefon greifbar sein!
Wie stehst Du heute zu Deinem Burnout? Gehst Du jetzt offener damit um?
Ich gehe schon deutlich offener damit um als vorher. Aber in meiner beruflichen Position sollte ich nicht damit hausieren gehen. Trotzdem bin ich sicherlich ein gutes Beispiel dafür, dass man seinen Weg in den Job und zur einstigen Leistungsfähigkeit zu mehr als 100% zurückfinden kann. Weder meine Verantwortung noch meine Performance haben nachgelassen. Meiner Firma danke ich sehr für das Verständnis, den Glauben an meine Leistungsfähigkeit und das Wahrnehmen meiner geleisteten Arbeit. Ich wurde bei meinem Zurückkommen sehr unterstützt. Deshalb kann ich heute wieder deutlich mehr leisten als kurz vor meinem Ausfall. Außerdem positioniere ich deutlich, was ich leisten kann und will. Ein Nein wird nun schneller akzeptiert.
In meiner Firma wurden sogar Programme für Mitarbeiter aufgesetzt, um Ausfälle wie den meinen zu minimieren und eine Sensibilität für dieses Thema zu schüren. Die Programme schließen auch die Familienmitglieder der betroffenen Arbeitnehmer ein. Leider ist das die Ausnahme, obwohl es die Regel sein sollte…
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