Wie kann sich Stress auf unsere Rückengesundheit auswirken? Wir wollten es genau wissen und haben beim Experten nachgefragt. Die Antworten, gepaart mit hilfreichen Entspannungs- und Präventionstipps für den Alltag, bekommst du in diesem Artikel.
Ein Zwicken hier, Verspannungsschmerzen da – unser Rücken ist der Spiegel unseres persönlichen Befindens. Stehen wir extrem unter Stress, kann das negative Auswirkungen für unsere Rückengesundheit haben. Warum dem so ist und welche Rückenschmerzen durch psychischen Stress hervorgerufen werden können, hat uns Andreas Kutter, Physiotherapeut am Klinikum der Universität München in Großhadern, im Interview erklärt.
Psychischer Stress und Rückenprobleme gehören zusammen
Welche psychischen Stressfaktoren können zu Rückenproblemen führen?
Psychische Probleme äußern sich bei manchen Menschen in Form körperlicher Symptome. Machen sich diese regelmäßig bemerkbar, ohne dass es aufgrund einer ärztlichen Untersuchung eine medizinische Ursache dafür gibt, spricht man auch von einer „psychosomatischen Störung“, also von einer psychisch verursachten körperlichen Störung.
In vielen Fällen können chronische Anspannung, Überforderung oder auch mangelnde Stressverarbeitungsfähigkeit zu Funktionsstörungen verschiedener Organe führen. Häufig äußert sich dies in Form von Störungen des Verdauungssystems wie Bauchschmerzen, Übelkeit oder Durchfall, aber eben auch häufig in Form von Rückenschmerzen.
Die Ursachen von psychisch getriggerten Rückenschmerzen sind meist unter dem Begriff „Stress“ zusammengefasst. Häufige in der heutigen Arbeitswelt zu beobachtende Stress-Faktoren sind beispielsweise ständiger Terminstress, übermäßiger Arbeitseifer, Ruhelosigkeit, ständiges Aktivsein, permanente Erreichbarkeit, mangelnde Wertschätzung, Unsicherheit oder mangelnde Genussfähigkeit.
Ein dauerhafter sogenannter Distress (negativer Stress) kann zu Veränderungen der eigenen Persönlichkeit und dadurch bedingt zu Ängsten, Depressionen oder Burnout führen.
Wie werden Rückenprobleme durch diese Faktoren verursacht?
Durch eine ständige innere Spannung und Verkrampfung kann es zu einem erhöhten Ruhetonus (Tonus = Spannung) in der Muskulatur kommen. Ein erhöhter Spannungszustand in der Rückenmuskulatur bewirkt eine mangelnde Durchblutung der Muskulatur. Dadurch entsteht das Gefühl von Schwäche und Müdigkeit im Rücken. Muskuläre Verhärtungen im Bereich des unteren Rückens und des Kreuzbeins verursachen meist auch Schmerzen.
Ein Übermaß an Spannung und Druck führen langfristig zu schmerzhaften oder auch degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule.
Wie kann man herausfinden, ob seelische Probleme Rücken belasten?
Zur Beurteilung der jeweils vorliegenden Art von Rückenschmerzen sollte eine ausführliche Anamnese sowie eine gründliche körperliche Untersuchung erfolgen. Die Anamnese beinhaltet das individuelle Erfassen des Beschwerdebildes, der Rücken- und Kranken- sowie der krankheitsbezogenen Familiengeschichte des Patienten. Hierbei werden auch Risikofaktoren wie psychische Belastungen identifiziert.
Darüber hinaus gibt es zur Abklärung der sogenannten „psychischen Gesundheit“ speziell zur Früherkennung psychischer Störungen und nach wissenschaftlichen Kriterien entwickelte und klinisch getestete Fragebögen. Diese liefern Hinweise darüber, ob körperliche Beschwerden eventuell maßgeblich psychisch bedingt sind.
Regelmäßige Entspannung ist am wichtigsten
Wie kann man stressbedingten Rückenproblemen vorbeugen?
Das A und O ist ein ausgewogenes Wechselspiel von Spannung und Entspannung, Belastung und Entlastung sowie Anstrengung und Erholung. Der Rücken will bewegt und trainiert werden. Ein ausgewogenes Wechselverhältnis von Druck und Entlastung beugt dem Entstehen von Rückenschmerzen vor.
Zudem ist das Loslassen und Entspannen unerlässlich, insbesondere bei psychosomatisch bedingten Rückenschmerzen.
Wie kann man stressbedingten Rückenbeschwerden entgegenwirken?
Jede Form geistiger Entspannung zeigt muskuläre Auswirkungen. Darum sind spezielle Entspannungsverfahren extrem wichtig. Dazu gehören unter anderen (Achtsamkeits-) Meditation, progressive Muskelentspannung, autogenes Training, Qi Gong, Yoga oder auch Tai-Chi. Intensive Wärme, beispielsweise in Form von warmen Entspannungsbädern, fördert ebenfalls die Durchblutung und nimmt Spannung aus der Muskulatur. Auch Massagen können Muskelverspannungen lösen und wirken obendrein entspannend auf die Seele.
Praktische Entspannungstipps für den Alltag
Wie kann man im Alltag wirkungsvoll entspannen?
Nimm dir bewusste Auszeiten. Achte auf dich selbst und auf deine Atmung. Eine wunderbare Methode ist die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson: Das Prinzip der PMR ist das systematische An- und Entspannen bestimmter Muskelgruppen wie Oberkörper, Arme, Rumpf, Ober- und Unterschenkel, Füße in Kombination mit einer bewussten Atmung. Durch das Wechselspiel wird die Entspannung der Körpermuskulatur bewusst herbeigeführt.
Entspannungsübung nach Jacobsen:
1. Muskelgruppe Hand, Unter- & Oberarm
Balle die jeweilige Hand zu einer Faust zusammen, winkle den Unterarm an und drücke den Arm gegen die Unterlage (im Liegen) oder gegen die Stuhllehne (im Sitzen).
2. Muskelgruppe Hals & Nacken
Ziehe dein Kinn in Richtung Brust und drücke deinen Hinterkopf leicht gegen die Unterlage (im Liegen) oder die Wand (im Sitzen oder Stehen).
3. Muskelgruppe Beine
Lege dich auf den Rücken auf den Boden, strecke deine Beine gerade aus, ziehe deine Zehen an und drücke das ausgestreckte Bein nach unten gegen die Unterlage.
Achtsamkeitsübung Sitzmeditation
Das Prinzip der Achtsamkeit bezieht sich auf die ständige bewusste und genaue Beobachtung der eigenen körperlichen, intellektuellen und emotionalen Vorgänge. Man lernt, bewusst Zustände wie beispielsweise Rückenschmerzen wahrzunehmen, ohne diese zu bewerten.
So geht’s:
Setz dich auf einen Stuhl. Wichtig bei dieser Übung ist, dass deine Füße den Boden berühren und du ganz entspannt und bequem sitzt.
Eine Variante für Fortgeschrittene ist der aus dem Yoga bekannte Lotussitz.
Bring deinen Körper in eine aufrechte bequeme Haltung. Beginne nun, dich auf deine Atmung zu konzentrieren. Atme langsam ein und wieder aus. Du kannst hierfür auch die Augen schließen. Du kannst auch versuchen, in bestimmte Körperteile hineinatmen oder dich in auf eine Brust- Bauchatmung konzentrieren.
Schweift die Konzentration hin und wieder ab, kann es behilflich sein, wenn du deine Atemzüge zählst oder beim Ein- und Ausatmen in Gedanken „ein“ und „aus“ sagst.
Wichtig ist, dass du dich voll und ganz auf deine Atmung konzentrierst. Das fällt am Anfang sicher nicht leicht, aber mit der Zeit wirst es dir immer leichter fallen.
Wenn du Anfänger bist, reicht es, die Achtsamkeitsübung zehn bis 20 Minuten auszuführen. Je mehr Erfahrung du hast, desto häufiger und länger kannst du diese Meditation durchführen.
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