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Inhalt
- Faszien sind ein anderes Wort für Bindegewebe. Es durchzieht unseren ganzen Körper
- Manche Forscher sagen bereits, von den Faszien sollte man als Sinnesorgan sprechen
- Faszien lassen sich zwar nicht direkt trainieren, Dehnungs- und Lockerungsübungen tragen aber zu ihrer Stabilität bei.
- Yoga- und Entspannungsübungen sind für diesen Zweck bestens geeignet.
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Was sind Faszien überhaupt?
Tatsächlich hat fast jeder Mensch Faszien schon einmal gesehen und sogar angefasst! Denn die Faszien durchziehen das Muskelfleisch der Nutztiere, welches wir bevorzugt verspeisen. Auch die weiße Schicht, die wir zumeist vor der Zubereitung entfernen, ist nichts anderes als eine Faszie. Der neue Begriff für das altbekannte Gewebe wurde beim ersten Weltkongress der Faszienforschung im Jahr 2007 definiert. Demnach werden das Bindegewebe unseres Bewegungsapparates sowie die festen Hüllen, die all unsere Organe, Muskeln, Knochen und Nerven umgeben, fortan als Faszien bezeichnet. Weltweite Forschungen haben ergeben, dass das Bindegewebe, dem besonders in der Medizin zuvor wenig Bedeutung beigemessen wurde, als eigenes Organ betrachtet werden sollte. Als System, das unseren gesamten Körper in verschiedenen Schichten durchzieht und das nicht nur allgemeine, sondern auch einige ganz spezifische Aufgaben innehat. Die offensichtlichste Funktion der Faszien besteht darin, unseren Körper in seiner Form zusammenzuhalten. Indem das Bindegewebe quasi jedes Element unseres Körpers umhüllt, entsteht ein spinnennetzartiges Geflecht, das trennt und formt. Der Faszienforscher und Buchautor Thomas Myers veranschaulicht diese formhaltenden Eigenschaften der Faszien anhand einer Grapefruit: Hier wird das Fruchtfleisch in kleinen Abteilungen von weißen Häuten umschlossen. Außen wird es noch einmal von einer festen, weißen Haut umgeben, die dicht an der Schale anliegt. Würde man nun das gesamte Fruchtfleisch entfernen und nur die weißen Häute stehen lassen, könnte man anhand dieser Struktur die gesamte Frucht sowie ihre Form rekonstruieren. Ebenso sieht es auch beim menschlichen Körper aus: Allein anhand des Bindegewebes, der weißen Hülle mit ihren Einbuchtungen und Gängen, ohne Fleisch und Knochen, könnte man erkennen, wie eine Person aussieht.Woraus bestehen Faszien?
Faszien bestehen hauptsächlich aus Proteinen und Wasser. Die Funktion der Körperstelle, die sie umgeben, entscheidet dabei über die genaue Zusammensetzung. So vielseitig wie die Funktionen der Organe, Knochen, Muskeln und Nerven unseres Körpers sind, variiert auch die Zusammensetzung der Faszien. Mal ist das Netz straffer, mal lockerer geknüpft, enthält mehr oder weniger Flüssigkeit. Im Grunde setzt sich das Bindegewebe jedoch immer aus vier Bausteinen zusammen:Kollagene
Gelten als wichtigster Bestandteil der Faszien. Kollagene sind feste, formgebende Fasern, sogenannte Strukturproteine. Diese sind sehr dehnbar aber auch besonders reißfest, ihre Zugfestigkeit ist höher als die von Stahl!Elastin
Ist ebenfalls ein Strukturprotein, das sich durch besonders elastische Fähigkeiten auszeichnet. Es lässt sich, wie ein Gummiband, stark dehnen, kehrt aber nach der Beanspruchung in seine Ausgangsform zurück.Bindegewebszellen
Die Bindegewebszellen produzieren die Fasern der Faszien in der jeweils benötigten Menge. Sie reagieren dabei auch auf Belastungen. Wird ein Muskel stark trainiert, werden mehr Fasern produziert. Innerhalb eines Jahres wird rund die Hälfte des gesamten Fasziengewebes ausgetauscht. Die Bindegewebszellen scheiden außerdem Enzyme und Botenstoffe aus, um miteinander sowie mit anderen Zellen zu kommunizieren.Matrix
Als Matrix wird die Flüssigkeit bezeichnet, welche die Fasern und die Bindegewebszellen umgibt und in der verschiedene Stoffe enthalten sind. In den verschiedenen Bindegewebstypen enthält sie variierende Anteile an Abwehrzellen, Lymphzellen und Fettzellen sowie Nervenendigungen, Blutgefäße und Wasser. Lockeres, faseriges Bindegewebe finden wir in unserem Körper besonders oft. Es enthält viel Flüssigkeit sowie Abwehr- und Lymphzellen. Diese Faszien füllen die Zwischenräume um unsere Organe im Bauch herum aus und polstern unsere Haut in den unteren Schichten ab. Parallelfaseriges, straffes Bindegewebe besteht vor allem aus Kollagenen und bildet Bänder, Sehnen sowie feste Kapseln, die unsere Organe ummanteln, und dünne Schichten, welche unsere Muskeln umgeben. Durch die parallele Anordnung der Fasern hält dieses Bindewebe extrem starken Zug aus. Unregelmäßiges Bindegewebe bildet die Hirnhaut und die Unterhaut. Es enthält wenig Flüssigkeit aber viele Fasern, dicke Kollagenbündel und wenig Elastin. Diese Fasern entsprechen in ihrer Anordnung den Zugkräften, denen sie ausgesetzt sind. Die genaue Zusammensetzung unseres Bindegewebes ist also immer wieder verschieden, um der jeweiligen Aufgabe bestmöglich zu entsprechen. Ein wahres körperliches Wunderwerk, das diverse Funktionen in den verschiedensten Bereichen unseres Körpers übernimmt.Die vier Grundfunktionen der Faszien
So verschieden die Bindegewebstypen unseres Körpers in ihrer Zusammensetzung und Lage auch sind, lassen sich dennoch alle vier Grundfunktionen zuordnen:- Formen: umhüllen, polstern, schützen, Struktur geben
- Bewegen: Kraft übertragen und speichern, Spannung halten, dehnen
- Versorgen: Stoffwechsel, Flüssigkeitstransport, Nahrung zuführen
- Kommunizieren: Reize und Informationen empfangen und weiterleiten
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Die Entdeckung der Faszien als Sinnesorgan
Aus diesen, sich wechselseitig bedingenden Grundfunktionen heraus, leiten führende Faszienforscher wie der deutsche Dr. Robert Schleip ab, dass unser Bindegewebe als Sinnesorgan angesehen werden sollte. Denn die verschiedenen Rezeptoren, die Nervenendigungen, die in den Faszien sitzen und die somit überall in unserem Körper anzutreffen sind, leiten permanent Informationen an unser Gehirn weiter. Sie berichten über Dehnung, Bewegung und Lage des jeweiligen Muskels, Organs oder Körperteils. Diese Informationen dienen unserem Gehirn zur Eigenwahrnehmung von Lage und Bewegungen im Raum. Bislang wurde angenommen, dass solche Rezeptoren lediglich in den tiefen Bindegewebsschichten der Haut und in den Gelenken vorkommen. Die Faszienforschung zeigte jedoch, dass sie auch in Muskelfaszien und Sehnen vermehrt zu finden sind und permanent Signale an unser Gehirn senden. Tatsächlich sitzen in den Faszien rund um einen Muskel mehr Sensoren und Nervenendigungen, als im Muskel selbst. Diese Entdeckung führte zu einem neuen Blick auf die Rolle, welche das Bindegewebe in unserem Körper spielt: Vor allem die Faszien in unserem Bewegungsapparat werden als Sinnesorgan und körperweites Informationssystem betrachtet, welches für unser Gehirn unentbehrlich ist. Denn die Wahrnehmung des Körpers über sich selbst, welche die Faszien erzeugen, ist selbst für vermeintlich einfache Tätigkeiten, wie das aufrechte Stehen, essentiell. Das Spüren von Bewegungen gilt dabei als der eigentliche und neu entdeckte Sinn, der Bewegungssinn. Die Faszien rund um unsere Organe ermöglichen dagegen eine „innere“ Wahrnehmung. Somit können die Faszien auch als Teil unseres Nervensystems betrachtet werden. Die Verbindung der Faszien zum vegetativen Nervensystem könnte die Wirkungsweise von Massagen und speziellen Handgriffen, z.B. von Osteopathen erklären. Eine solche Behandlung würde demnach die Bewegungssensoren in den Faszien erreichen. Diese würden dann Signale an das Rückenmark senden, welches wiederum die Muskelspannung oder den Spannungszustand der Blutgefäße verändern würde. Da die Faszienforschung nach nur fünf intensiveren Jahren sicherlich noch in den Kinderschuhen steckt, bleibt es besonders auf diesem Gebiet spannend, welche Verbindungen in welcher Intensität weiter nachgewiesen werden können.
Faszien und Schmerztherapie
Die Entdeckung, dass die umhüllenden Faszien über mehr Sensoren und Nervenendigungen verfügen, als der Muskel selbst, führte zu weiteren, sportrelevanten Erkenntnissen. Denn die Mehrzahl dieser Rezeptoren sind „Schmerzmelder“. Damit gilt es als gesichert, dass muskuläre Schmerzen vor allem in den Faszien entstehen! Dies betrifft vor allem den Muskelkater. Es sind trainingsbedingte Veränderungen und Verletzungen in den Faszien, nicht im Muskel selbst, die für die Schmerzen verantwortlich sind, wie ein Test aus dem Jahre 2009 belegt, den der dänische Schmerzforscher Graven-Nielsen durchführte. Ob der Schmerz von Rissen, Entzündungen und Ödemen im Bindegewebe hervorgerufen wird oder ob die gesteigerte Belastung zu verstärkten Reizsignalen führt, welche die Sensoren der Faszien weiterleiten, ist noch unklar. Sicher ist jedoch, dass sich das Bindegewebe nach ein paar Tagen erholt und sich darüber hinaus der gesteigerten Belastung angepasst hat. In dieser Beobachtung fußt die Wirksamkeit des „Faszientrainings“. Demnach wären fitte Faszien weniger anfällig für Muskelkater, schmerzbedingte Trainingspausen könnten vermindert werden. Vor allem auf den weitverbreiteten, chronischen Schmerz im Rücken wirft die Faszienforschung ein ganz neues Licht. So stellte sich heraus, dass die tiefe Rückenfaszie von Schmerzrezeptoren übersät ist. Nun liegt die Vermutung nahe, dass die Schmerzen nicht von den Bandscheiben oder den Wirbeln herrühren, sondern ihren Ursprung in dieser Lumbalfaszie haben. Untersuchungen bei männlichen Schmerzpatienten haben ergeben, dass deren Rückenfaszie meist deutlich verdickt ist. Die Ursachen sind noch nicht erforscht, aber führende Experten gehen davon aus, dass kleine Risse oder Wunden in der Faszie, die durch einseitige Belastungen entstehen, hierfür verantwortlich sein könnten. Durch solche Mikroverletzungen käme es demnach zu Entzündungen, aufgrund derer die Lumbalfaszie falsche Signale an die Muskeln sendet. Auch in diesem Bereich raten Faszienforscher zu gymnastischen Übungen und Massagen- wie sie Osteopathen, Heilpraktiker und Physiotherapeuten bereits seit vielen Jahren praktizieren. Neu ist also das Wissen um die Wirksamkeit solcher Heilmethoden bei Schmerzen nicht. Aber erklärbar und hierin liegt die Neuigkeit. Yoga, Akupunktur, Pilates und Osteopathie lösen also keine „Blockaden des Lebensflusses“ sondern stimulieren den Flüssigkeitsaustausch in den Faszien, lösen dort Verklebungen auf und tragen zur Regeneration bei, was schließlich dem Schmerzempfinden entgegenwirkt.
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